Dienstag, 6. März 2012

Gasteintrag: Indea III

Hallo,

nach langer Pause habe ich mal wieder Gelegenheit etwas zu schreiben. Inzwischen sind wir zurück in Chennai und werden heute Nacht wieder nach Hause fliegen. Doch zurück zu Thanjavur, wo ich das letzte mal abbrechen musste.

Als wir dort angekommen sind, mussten wir leider feststellen, dass die meisten Quartiere entweder voll oder vollkommen inakzeptabel waren, da dass alljährige Tanzfestival nur noch wenige Tage entfernt war. Nachdem wir fast den ganzen Tag durch erfolglos durch die Stadt gezogen sind, haben wir am späten Nachmittag eine gerade noch akzeptable Unterkunft gefunden. Dadurch ging uns effektiv ein Tag unserer Reise verloren und wir mussten eine Station, Trichy, von der uns andere Reisende erzählten, dass sie den dortigen Tempel am schönsten fanden, leider auslassen.

Thanjavur ist eine indische Kleinstadt mit etwa einer Viertel Million Einwohner, die abseits ihrer zwei Sehenswürdigkeiten, den Brihadeshvara-Tempel und den Palast der Nayaks, leider nichts zu bieten hat. Das Stadtbild ist ziemlich trist.

Der Tempel wurde bereits im elften Jahrhundert erbaut und zeichnet sich vor allem durch seinen großen Pyramidenturm, der zu keiner Tageszeit einen Schatten wirft und durch den größten lingam (Phallus-Symbol) Indiens mit 3,50m Höhe und 12m Umfang. Der Palast ist leider wegen mangelnder Pflege größtenteils verfallen, birgt aber eine sehr wertvolle Bibliothek, die einen Teil ihres sehr wertvollen Bestandes an alten Manuskripten, teilweise aus Palmblättern gefertigt, in einer Austellung präsentiert. Bücherfreunde werden aber ob der Lagerungsbedingungen nur mit dem Kopf schütteln. Die Bücher werden in einfachen Metallschränken in Räumen ohne Klimatisierung aufbewart, ein Alptraum für die Bücher bei der hohen Luftfeuchtigkeit im Monsun.

Von Thanjavur ging es dann sofort weiter nach Madurai, laut Reiseführer ein Highlight jeder Indienreise, dass man auf keinen Fall verpassen sollte. Wir waren aber eher enttäuscht. Die Stadt kann wahrscheinlich mit schlechtesten Luft in ganz Südindien aufwarten, da sich rund um die Uhr der Verkehr zäh durch die verwinkelten Straßen schiebt. Außerdem ist die Stromversorgung hier so unzuverlässig, dass die Generatoren, die fast jeder vor seinem Haus zu stehen hat, gefühlt ununterbrochen laufen.

Der Sri-Meenakshi-Tempel ist die Hauptattraktion der Stadt, einer der bekanntesten Tempel Südindiens, der täglich von etwa 100000 Menschen besucht wird. Trotz der architektonisch sehr beeindruckenden Anlage waren wir eher enttäuscht, da wir uns nicht wie in einem Tempel gefühlt haben, sondern eher wie auf einem Bazar. Die zentralen Bereiche waren für nicht hinduistische Besucher abgesperrt uns so für uns unzugänglich, die umgebenden Hallen werden vor allem für Marktstände genutzt. In allen Tempeln ist üblich, dass man seine Opfergaben direkt vor Ort erwerben kann, die Stände hier waren aber vor allem auf die zahlreichen indischen Touristen ausgerichtet. So konnte man problemlos zum Beispiel Spielzeugwaffen und anderes Plastikspielzeug direkt im Tempel erwerben.

Zum Ausgleich haben wir uns in einem größten Hotel der Stadt uns in die Luxus-Suite eingemietet. Die Nacht war zwar so teuer eine Woche Aufenthalt in einer günstigen Unterkunft, aber mit umgerechnet 60€ preislich noch vertretbar. Da wir um Mitternacht angekommen sind und dank 24-Stunden-Checkout konnten wir auch effektiv zwei Nächte bleiben.

Madurai markierte auch das Ende unserer gemeinsamen Reise mit Tabea, die wieder zurück nach Chennai musste. Wir sind mitten in der Nacht in unserer Zug nach Kochi gestiegen, Tabea ist am nächsten Tag mit dem Bus zurückgekehrt. Züge sind nach dem Flugzeug die bequemste Art und Weise in Indien zu reisen. Große Distanzen überwindet man am bestem mit dem Nachtzug, da es dann in den Zügen angenehm kühl ist und jedem Fahrgast eine einfache Pritsche zur Verfügung steht, auf der man seinem Ziel entspannt entgegenschlafen kann. Außerdem kann man tagsüber von dem Zugpersonal, das im Fünf-Minuten-Takt durch den Zug wetzt, Getränke, Snacks und vollwertige Mahlzeiten für kleines Geld erwerben.

Die Strecken zuvor haben wir alle mit den lokalen Regierungsbussen bewältigt. Deren System erscheint am Anfang für den Reisenden vollkommen undurchschaubar, da die Busse im Normalfall sehr voll sind und Ziele der Busse nicht mit lateinischen Buchstaben geschrieben werden, so dass man nur durch Nachfragen beim Personal oder anderen Fahrgästen den richtigen Bus findet, doch eigentlich ist es ziemlich genial. Die Preise der staatlich betriebenen Busse sind so niedrig angesetzt, dass es sich wirklich jeder leisten kann. So bezahlt man für 100km Strecke etwa einen Euro. Außerdem ist der Bedarf an Bussen so hoch, dass sie ständig fahren. Im Normalfall haben wir gar nicht warten müssen, wenn doch, dann nicht länger als eine Viertel Stunde. Der Komfort dagegen ist dagegen sehr eingeschränkt. Die Busse sind nur dem Nötigsten ausgestattet, bequeme Sitze, Fenster oder gar verschließbare Türen zählen nicht dazu.

Gleich auf der zweiten Fahrt mit einem solchen Bus, hatten wir unser dramatischstes Erlebnis auf der ganzen Reise. Ein entgegengekommenes Motorrad kollidierte mit unserem Bus. Zum Glück hat der Fahrer keine ernsthaften Verletzungen erlitten, das Nachspiel des Unfalles war aber beängstigend. Da in Indien fast niemand versichert ist, enden Unfälle fast immer in Streit, so auch in unserem Fall. Der Motorradfahrer stürmte in den Bus vor zum Fahrer, und es hatte den Anschein, al ob er den Busfahrer am liebsten gleich an Ort und Stelle umbringen würde. Die anderen Fahrgäste haben ihn aber aufgehalten und gewaltsam aus dem Bus gedrängt, während alle Beteiligten sich gegenseitig angeschrien haben. Wir saßen dazwischen auf unseren Plätzen und wussten nicht, was als nächstes passieren würde. Der Bus ist dann noch ein Stückchen weiter gefahren, dann mussten aber alle Fahrgäste aussteigen, so dass wir den nächsten Bus nehmen mussten. Das war in so fern problematisch, das der nächste Bus natürlich genau so voll sein würde, wie der, den wir genommen haben. Und wenn es um Sitzplätze geht, kennen die Inder keinen Spaß. Sobald der Bus eintraf, entstand ein furchtbares Gedrängel an den Türen des Busses. Zum Glück kannten wir schon das Phänomen schon und gelangten gerade so noch an Bord des Busses. Ich stands noch auf der untersten Trittstufe, als der Bus losfuhr.

Nach diesem Einschub zurück zu unserem Reiseverlauf. Unser nächsten Ziel war Fort Kochi. Kochi bzw. das heutige Ernakulam war schon immer ein bedeutender Hafenstandort. Die Bebauung des historischen Stadtteils Fort Kochin, der auf einer vorgelagerten Halbinsel liegt, ist nach wie vor von Kolonialzeit, in der es von den Portugiesen besetzt war, geprägt. Die alten und inzwischen teilweise baufälligen Kolonialzeitgebäude werden immer noch zur Lagerung und Weiterverkauf der Waren genutzt. Photomotiv Nummer Eins auf in Fort Kochi sind die chinesischen Fischernetze, die sich am Strand an der Spitze der Halbinsel befinden. Die massiven Holzkonstruktionen, für deren Betrieb ein halbes Dutzend Männer benötigt wird, ziehen zahlreiche Besucher insbesondere zu jedem Sonnenuntergang an. Viel gefangen wird aber nicht, mir scheint, dass sie nur noch wegen ihrer touristischen Bedeutung existieren.

Gleich um die Ecke kann man sich eine Vorstellung der berühmten  Kathakali-Tänze ansehen. Besonders eindrucksvoll ist das Make-Up der Tänzer, die dafür eine ganze Stunde geschminkt werden.

Von Fort Kochi haben wir auch noch einen Ausflug in die benachbarten Backwaters unternommen. Der südliche Teil der Westküste Indiens ist von einem dichten Netz Meerwasser gefüllter Kanäle durchzogen, die es auf eine Gesamtlänge von über 900km bringen. Wir haben uns dort per Boot etwa sieben Stunden lang durch die Kanäle staken lassen.

Insgesamt war der Aufenthalt in Kochi sehr angenehm, auch weil es dort sehr sauber ist und ruhig zugeht, auch wenn der Stadtteil auf Grund seiner hohen touristischen Bedeutung etwas künstlich wirkt.

Der nächste Programmpunkt unsere Reise war eine Fahrt mit dem Blue Mountain Express, einer Schmalspurbahn, die zwischen Metupalaiyam und Ooty verkeht, welches sich in 2200m Höhe in Bergen befindet. Zwar benötigt der Zug für die knapp 50km Strecke fast fünf Stunden, dafür ist die Fahrt aber landschaftlich sehr beeindruckend.

Erwartungsgemäß war das Klima in Ooty auf Grund seiner Höhe recht kühl, so dass man bei angenehmen 25°C den Ort erkunden konnte. Die nächtliche Kälte hat uns aber dann doch sehr überrascht. Ich hatte wenigstens noch einen Schlafsack dabei, meine Mutter hat aber unter ihrer dünnen Decke bei 10°C im Zimmer doch sehr gefroren. Außerdem hatte ich mir eine ordentliche Lebensmittelvergiftung zugezogen und dadurch Durchfall. So war für uns beide die Nacht in Ooty wenig erholsam.

Am nächsten Morgen ging es dann weiter mit dem Privatbus nach Mysore. Wie sich später herausstellte, unsere schlimmste Fahrt mit einem indischen Verkehrsmittel. Der Schaffner war betrunken, der Fahrer nahm die Serpentinen runter ins Flachland mit deart hoher Geschwindkeit, dass uns innerhalb kürzester Zeit extrem übel wurde. Unser Wunsch, kurz anzuhalten wurde abgelehnt und wir wurden angewiesen im Zweifelsfall halt die Fenster zu öffnen. Dumm nur, dass wir nur einen Fensterplatz hatten. Als wir dann endlich in sMysore ankamen, waren wir vollkommen am Ende unserer Kräfte. Zum Glück gab es direkt in der Nähe des Busbahnhofes eine ordentliche Unterkunft, die wir sofort nahmen und uns erst mal auskurieren konnten.


Am nächsten Tag begannen wir dann die zahlreichen Sehenswürdigkeiten Mysores zu erkunden. Wir begannen mit dem Devaraja-Markt, eines der lebhaftesten und farbenfrohsten Basare Indiens. Hier wird vor allem Obst verkauft, das die Händler vor ihren Ständen in kunstvollen Pyramiden aufschichten. Des weiteren kann man hier Gewürze, Gemüse, und Öle erwerben. Wenn mal als Tourist etwas kaufen möchte, muss man aber ordentlich feilschen können, ansonsten bezahlt man leicht das doppelte, im Falle der Öle gerne auch noch mehr. Wir haben einige Fläschchen erworben, der ursprüngliche Preis betrug 200 Rupien pro Flasche. Der Händler gab uns zu verstehen, dass absolut keinen Verhandlungsspielraum gäbe und dass er grundsätzlich keinen Touristenpreise nähme. Als wir dann so taten, als ob wir das Interesse an den Ölen verlieren würden, ging der Preis dann doch auf 130 Rupien runter. Kurze Zeit später wurde ich von einem anderen Händler angesprochen, der mir auch noch seine Öle verkaufen wollte. Um ihn abzuwimmeln, sagte ich ihm, dass wir schon welche gekauft haben und dass wir 100 Rupien bezahlt hätten. Darauf bot er mir seine für 60 Rupien an. Naja, wenigstens ist es gut zu wissen, wo das Preisniveau wirklich liegt.

Berühmt ist Mysore vor allem für seinen Palast, der direkt aus einem Märchen aus Tausend und einer Nacht entsprungen sein könnte. Zum Sonnenuntergang erstatteten wir ihm einen ersten Besuch, um ihn von außen in Augenschein zu nehmen, am nächsten Tag gingen wir dann ins Innere des Palastes. Besonders beeindruckend waren hier die Wandgemälde, die den Wendelgang um den zentralen Innenhof schmücken. Sie illustrieren die Vorgänge des Dussera-Festes von 1930. Die Bilder sind extrem genau ausgearbeitet, so kann man die Gesichtzüge von jeder dargestellten Person erkennen. Dementsprechend gibt es auch für jedes Bild eine Legende, die über die Name und Bedeutung der Personen aufklärt.

Jeden Sonntagabend werden die etwa 90000 Glühlampen, die auf der Fassade des Palastes angebracht sind, für eine Stunde eingeschaltet. Wir haben unseren Aufenthalt in Mysore extra so gelegt, dass wir diesem Ereignis beiwohnen können. Energetisch sinnvoll ist das ganze sicher nicht, aber gefühlt war die ganze Stadt auf dem Platz vor dem Palast versammelt, um dabei zu sein.

Von Mysore ging es dann weiter nach Hampi, meinen persönlich Reisehöhepunkt, doch jetzt müssen wir erst mal packen, so dass ich davon ein andermal berichten muss.

Liebe Grüße,

Sebastian